Es ist eine Erfolgsgeschichte. Es ist auch eine Geschichte der Kämpfe und Existenzängste. Die an.schläge wurden vor 35 Jahren als Gegenstimme zum Medien-Mainstream gegründet. Das sind sie immer noch. Von GABI HORAK
Die Produktionsbedingungen für eine feministische Zeitschrift sind kaum mit denen traditioneller Medien vergleichbar. Keine Herausgeberin eines großen Magazins würde sich mit so wenig Budget auch nur die Mühe machen, die Redaktion aufzusperren. Die an.schläge schaffen mit jeder Ausgabe das Unmögliche und schließen damit eine große Lücke in der Medienlandschaft: Wir berichten, was sonst nicht vorkommt, und werfen feministische Blicke auf die Welt.
Leuchttisch und Koffer-Schreibmaschine. Im Herbst 1983 erschien die erste Ausgabe der an.schläge. Es war eine sehr aktive Zeit der Frauenbewegung in Österreich, viele Frauenprojekte wurden gegründet, Frauenhäuser sowie Lesbengruppen innerhalb der Homosexuellenbewegung entstanden. Das Selbstverständnis 1984 lautete: „Die Zeitschrift an.schläge versteht sich als Frauenzeitschrift, die der herrschenden patriarchalischen Medienpraxis eine Alternative entgegensetzen will.“ (1)
Die an.schläge wollten ein Kommunikations- und Informationsnetzwerk dieser Bewegung sein. „Wir wollten ein Medium haben, das nicht uns manipuliert, sondern das wir selbst gestalten können“, erzählt Brigitte Mayr, Redakteurin der ersten Jahre. (2) Leserinnen sollten aber nicht nur die Aktivistinnen der Frauenbewegung sein, sondern auch „normale“ Frauen. „Wenn ich einen Artikel über einen Film geschrieben hab, hab ich mir immer jemanden vorgestellt, der neben mir im Kino sitzt“, so Brigitte Mayr. (3) Und die fertigen Hefte wurden dann nicht nur in der Szene verteilt, sondern auch an anderen Orten und im Bekanntenkreis.
Das Heft erschien zunächst viermal im Jahr, manchmal auch sechsmal. Die Produktion Anfang der 1980er-Jahre war abenteuerlich: „Damals schrieben wir auf Riesen-Computern mit Floppy-Disks, daheim schrieb ich noch auf einer Koffer-Schreibmaschine. Die ersten Nummern layoutierten wir mit der Hand auf Leuchttischen.“ Die an.schläge-Schrift wurde auch mit der Schere ausgeschnitten und auf dem Leuchttisch platziert. Die Adresspickerl für den Aboversand wurden mit der Schreibmaschine abgetippt, weil es noch keine Aufkleber zum Kopieren gab.
„an.schläge“. Der Name „an.schläge“ kommt auch von diesen Produktionsbedingungen: Es ging um die Anschläge mit der Schreibmaschine. Der Punkt im Wort sollte für subversive Irritation sorgen. Aber auch weitere Bedeutungen sollten mitschwingen: Es ging um ein öffentliches Anschlagen des gedruckten Wortes. Und natürlich war es auch ein gewaltfreier „Anschlag auf das Patriarchat“, ein Gegen-Schreiben auf allen Ebenen.
Die Finanzierung der Zeitschrift war immer unsicher, meist ein Zittern von Jahr zu Jahr. Die ersten Jahre nach der Gründung wurde ausschließlich ehrenamtlich gearbeitet, erst 1987 konnte erstmals eine Redakteurin über ein Förderprogramm der Arbeitsmarktverwaltung angestellt werden. Die an.schläge wurden teilweise sogar durch Privatverschuldung am Leben gehalten.
Ab Jänner 1988 erschien die Zeitschrift monatlich und war damit viele Jahre die einzige monatlich erscheinende feministische Zeitschrift im deutschsprachigen Raum. Die ersten Jahre waren extrem anstrengend. 1991 war die persönliche und finanzielle Belastbarkeit der Mitarbeiterinnen an ihre Grenze gekommen und die an.schläge legten eine Pause ein. Einige Frauen erarbeiteten ein Konzept für ein zur Gänze auf bezahlter Arbeit basierendes feministisches Monatsmagazin – doch die notwendigen Gelder waren nicht aufzutreiben.
Radikale Veränderung und Visionen. Aber aufgeben wollte die Redaktion nicht. Ende 1993 initiierte Beate Soltész die Neugründung. Das erste Heft der „neuen“ an.schläge erschien im März 1994. Und seit diesem Jahr erscheinen wir ununterbrochen zehnmal im Jahr bzw. inzwischen achtmal im Jahr. Die mittlerweile leider verstorbene Gudrun Hauer war 1994 bis 1998 erste und einzige „Chefredakteurin“ im an.schläge-Kollektiv. Sie gab sich zur Wiedergründung kämpferisch: „Wir sollten: diskutieren, sprechen, streiten, schreiben: über Politik, Strategien, über radikale Veränderung und Visionen. Fangen wir damit endlich an. Noch heute! Jetzt gleich!“ (4)
Das Frauenbüro der Stadt Wien unterstützt den Verein, der hinter dem Magazin an.schläge steht, seit 1997 finanziell, mittlerweile auch mit Dreijahresvertrag, was einen gewissen Rückhalt bietet. Doch diese Förderung allein würde nicht ausreichen, um das Heft zu produzieren. Zusätzlich gab es oft Subventionen vom Frauenministerium, abhängig davon, wer gerade für Frauenagenden zuständig war. Schwarz-Blau I Anfang der 2000er hat die Subvention komplett gestrichen, auch das haben wir irgendwie überlebt – v. a. durch Einsparungen bei Arbeitsplätzen und bezahlten Inhalten.
Die Einnahmen durch Abonnements sind ein wichtiger Pfeiler – aufgrund steigender Abozahlen ein immer stabilerer. Die finanzielle Absicherung durch eigene Einnahmen ist letztlich das Einzige, was die Zukunft der an.schläge sichern kann.
Hohes journalistisches Niveau. Die mal größere, mal kleinere finanzielle Unsicherheit hatte natürlich Auswirkungen auf die Redaktion, auf die Zufriedenheit der Mitarbeiterinnen sowie auch auf die Qualität der Inhalte. „In guten Jahren standen die an.schläge selbstbewusst in der Brandung. In schlechten Jahren drohten sie unter finanziellen und personellen Schwierigkeiten zu zerbröckeln“, schrieb Angela Heissenberger, langjährige Redakteurin, im Jubiläumsheft zu 20 Jahren an.schläge. (5) Die späten 1990er-Jahre waren gute Zeiten mit mehreren entlohnten Redakteurinnen. Das dadurch mögliche hohe journalistische Niveau wurde auch von „außen“ wahrgenommen: Die an.schläge erhielten 1997 den „Prof. Claus Gatterer-Preis“ für sozial engagierten Journalismus, im Jahr darauf erhielt Angela Heissenberger den Menschenrechtspreis des Presseclubs Concordia und im selben Jahr wurde eine Titelgeschichte von Martina Kopf mit dem Preis des Österreichischen Zeitschriftenverbandes ausgezeichnet.
Warum entscheiden sich Frauen trotz der prekären Arbeitsbedingungen, bei einem feministischen Magazin mitzumachen? „Mein Professor an der Angewandten hat mir erzählt, dass die Zeitung eine Fotografin sucht. Ich hab zu der Zeit in der Musikzeitschrift ,SKUG‘ zu 99,9 Prozent mit Männern gearbeitet und war sehr frustiert“, erzählte etwa die langjährige an.schläge-Fotografin Magdalena Blaszczuk vor Jahren bei einem Round Table über ihre Motivation. (6) Angela Heissenberger ergänzte in derselben Runde, dass frau sich „als junge Journalistin woanders schwer so verwirklichen kann“. Oder wie es die langjährige Redakteurin Beate Soltész mal ausdrückte: „Die an.schläge wurden meine Geliebte.“
Keinen Kaffee kochen. Die an.schläge haben über die Jahre unzählige Praktikantinnen beschäftigt, bezahlt über Stipendien. Keine von ihnen musste Kaffee kochen. Jede von ihnen hat gelernt zu recherchieren, zu schreiben, in der Redaktionssitzung über feministische Themen zu diskutieren und eigene Meinungen zu vertreten, und nicht zuletzt konnten sie den gesamten Produktionsprozess bis hin zum Versand begleiten. So etwas spricht sich herum. Christine Weiser war für das Praktikum extra von Leipzig nach Wien gereist. Als sie wieder zurück ging, nahm sie nicht nur journalistische Erfahrungen mit: „Inzwischen drehen sich viele Gespräche in meinem Freundeskreis um Sexismus. Die Kraft und das Gespür dafür verdanke ich an.schläge.“ (7) Ehemalige an.schläge-Praktikantinnen arbeiten mittlerweile in unzähligen anderen, auch großen Medien und pushen dort feministische Inhalte.
Wenn die glänzende Oberfläche vermeintlicher Gleichberechtigung auch nur ein bisschen angekratzt wird, zeigt sich, wie weit entfernt wir von faktischer Chancengleichheit sind: Sexismus, Gewalt, Gender Pay Gap, Bildungs- und Aufstiegschancen, Armutsgefährdung, Kindererziehung und das weite Feld der Care-Arbeit. Die Liste ist lang. Die an.schläge sind und bleiben ein Anschlag auf diese patriarchalen Strukturen im besten Sinne: indem wir in jeder Ausgabe zeigen, dass es anders sein kann und werden muss.
Buchtipp:
Feministische Medien. Öffentlichkeiten jenseits des Malestream. (Anlässlich 25 Jahre an.schläge).
Hg. von Lea Susemichel, Saskya Rudigier, Gabi Horak. Ulrike Helmer 2008
(1) Selbstverständnis in an.schläge 1984/2
(2) In: „an.schläge. 20 Jahre“. Sonderausgabe zum Jubiläum, Oktober 2003
(3) In: an.schläge 2014/1
(4) In: an.schläge 1994/3
(5) In: „an.schläge. 20 Jahre“. Sonderausgabe zum Jubiläum, Oktober 2003
(6) In: an.schläge 2008/8
(7) In: an.schläge 2008/8